Verhaltens- und fertigkeitenbasierte Frühinterventionen bei Kindern mit Autismus
Data(s) |
2009
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Resumo |
Einleitung: Zu den autistischen Syndromen werden der frühkindliche Autismus (Kanner-Syndrom), das Asperger-Syndrom und atypische Autismusformen oder nicht-spezifizierte tiefgreifende Entwicklungsstörungen gezählt. Bei den autistischen Syndromen liegen Beeinträchtigungen (1) der Kommunikation und (2) der sozialen Interaktion vor. Weiterhin weisen (3) die Kinder in unterschiedlichem Maß stereotypes, repetitives Verhalten auf und haben bestimmte Sonderinteressen. Verhaltensbasierte Frühinterventionen bei Kindern mit Autismus basieren auf lerntheoretischen und verhaltenstherapeutischen Konzepten. Sie berücksichtigen die besonderen vorliegenden Beeinträchtigungen in der Wahrnehmung, der emotionalen Reaktionen, der sozialen Interaktionen sowie der Kommunikationsmuster. Die systematische Anwendung und Evaluation solcher Modelle in Deutschland ist aber bisher eher die Ausnahme. Fragestellungen: - Wie sind die gesundheitliche Effektivität und Sicherheit von verhaltens- oder fertigkeitenbasierten Frühinterventionen bei autistischen Syndromen untereinander und verglichen mit einer Standardbehandlung? - Gibt es Hinweise auf besondere Wirkfaktoren für die Effektivität? - Wie ist die Kosten-Effektivität? - Wie hoch sind die Kosten der verschiedenen Interventionen? - Lassen sich aus ethischen und rechtlichen Überlegungen Schlüsse für die Anwendung der betrachteten Interventionen bei Betroffenen mit autistischem Syndrom in der Praxis ziehen? Methoden: Basierend auf einer systematischen Literaturrecherche werden ab 2000 in deutscher oder englischer Sprache veröffentlichte kontrollierte Studien zu verhaltens- oder fertigkeitenbasierten Frühinterventionen bei Kindern mit Autismus im Alter von bis zu zwölf Jahren eingeschlossen und bewertet. Die Mindestzahl an Studienteilnehmern muss zehn pro Interventionsgruppe betragen. Ergebnisse: Insgesamt 15 Veröffentlichungen klinischer Primärstudien, acht systematische Reviews und eine ökonomische Veröffentlichung erfüllen die Einschlusskriterien. Die meisten Studien evaluieren intensive Frühinterventionen, die sich an das Modell von Lovaas (Early intensive behavioural treatment (EIBT), Applied behavioural analysis (ABA)) anlehnen. Einige Studien evaluieren andere Interventionen, die teilweise pragmatisch waren und teilweise einem bestimmten Modell folgen (spezifisches Elterntraining, Responsive education and prelinguistic milieu teaching (RPMT), Joint attention (JA) und symbolisches Spielen (SP), Picture exchange communication system (PECS)). Verhaltensanalytische Interventionen basierend auf dem Lovaas-Modell können weiterhin als die am besten empirisch abgesicherten Frühinterventionen angesehen werden. Vorschulkinder mit Autismus können durch verhaltensbasierte Interventionen mit einer Mindestintensität von 20 Stunden pro Woche Verbesserungen in kognitiven und funktionalen Bereichen (expressive Sprache, Sprachverständnis und Kommunikation) erreichen. Es bleibt jedoch unklar, welche Mindestintensität notwendig ist, und welche Wirkkomponenten für die Ergebnisse verantwortlich sind. Für andere umfassende Frühinterventionen bei Kindern mit Autismus liegt keine hochwertige Evidenz vor. Die für den ökonomischen Teilbereich identifizierte und einbezogene Publikation ist methodisch und thematisch nicht dazu geeignet, die Fragen nach der Kosten-Effektivität oder den Kostenwirkungen von Frühinterventionen beim Autismus auch nur ansatzweise zu beantworten. Publikationen zu rechtlichen, ethischen oder sozialen Aspekten werden nicht identifiziert. Die finanzielle Lage der Betroffenen und der Familien wird durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (Pf-WG) verbessert. Weitere rechtliche Belange betreffen die Betreuung und die Deliktfähigkeit der Menschen mit Autismus. Auch die gleichheitliche Betreuung und Versorgung sind insbesondere vor dem Hintergrund der Pflege im häuslichen Umfeld eine wichtige Frage. Diskussion: Es gibt nur wenige methodisch angemessene Studien zur Beurteilung der Wirksamkeit von Frühinterventionen bei Kindern mit Autismus. Die meisten Studien sind vergleichsweise kurz und haben teilsweise kein verblindetes Ergebnis-Rating. Der Mangel an hochwertigen vergleichenden Studien lässt keine solide Antwort auf die Frage zu, welche Frühintervention bei welchen Kindern mit Autismus am wirksamsten ist. Programme nach dem Lovaas-Modell scheinen am wirkungsvollsten zu sein. Dies gilt vor allem, wenn sie klinikbasiert durchgeführt werden. Zu einzelnen Wirkfaktoren von Frühinterventionen nach dem ABA-Modell konnte allerdings keine solide Evidenz gefunden werden. Es zeigte sich, dass ein Elterntraining hinsichtlich der Verbesserung der Kommunikation besser ist als eine Routinebehandlung, in der eine Mischung von Theapieelementen angewendet wird. Sowohl für die klinischen als auch die gesundheitsökonomischen Studien besteht das Problem unzureichender Verallgemeinerbarkeit der Studienergebnisse in den deutschen Versorgungskontext. Die ökonomischen Studien sind methodisch und thematisch nicht dazu geeignet die aufgeworfenen Fragestellungen zu beantworten. Schlussfolgerung: Basierend auf der derzeitigen Studienlage liegt für keine der untersuchten verhaltensbasierten Frühinterventionen bei Kindern mit Autismus ausreichende Evidenz vor. Die in diesem Bericht ausgewerteten Studien und Reviews legen nahe, dass Vorschulkinder mit Autismus durch verhaltensbasierte Interventionen mit einer Mindestintensität von 20 Stunden pro Woche Verbesserungen in kognitiven und funktionalen Bereichen erreichen können. Es gibt bisher keine Hinweise, dass bei einem substantiellen Anteil der Kinder eine vollständige Normalisierung der Entwicklung erreicht werden kann. Die meiste Evidenz liegt für die ABA vor. Ein Minimum an erforderlicher oder sinnvoller Behandlungsintensität kann jedoch nicht angegeben werden. Eine professionelle Umsetzung eines verhaltensbasierten Frühinterventionsprogrammes in engem und ausführlichem Kontakt mit den Kindern und unter Einbeziehung der Eltern erscheint sinnvoll. Zur Kosten-Effektivität von intensiven Frühinterventionen bei Kindern mit Autismus können keine validen Angaben gemacht werden. Effektive Frühinterventionen könnten jedoch die Gesamtkosten des Autismus langfristig reduzieren, indem die anfallenden hohen Aufwendungen durch eine spätere bessere soziale Anpassung überkompensiert werden. Introduction: Autism spectrum disorders (ASD) comprise typical or infantile autism (Kanner syndrome), Asperger’s disorder and atypical autism or pervasive developmental disorder - not otherwise specified. The syndrome is characterized by deficits in (1) verbal and nonverbal communication, (2) reciprocal social interaction and (3) repetitive patterns of behaviour, interests and activities. Early behavioural interventions are based on learning theory and behaviour therapy. They take into account specific deficits in perception, emotional reactions, social interaction and communication. In Germany, these comprehensive models are not widely evaluated and implemented. Research questions: - What are the clinical effectiveness and safety of early behavioural or skills-based early interventions in autism compared to other interventions or to treatment as usual? - What are specific factors responsible for the effectiveness? - What are the cost-effectiveness and cost consequences of different early interventions in autism? - Which legal, social and ethical aspects are relevant with regard to the implementation of the respective interventions in persons with autism? Methods: Following a systematic review of the literature, controlled studies on early behavioural or skills-based interventions published since 2000 in English or German with children until the age of twelve are included and critically appraised. Studies must have at least ten participants per intervention group. Results: In total, 15 publications based on 14 studies, eight systematic reviews and one health economic study are included. Most studies evaluate early interventions based upon the Lovaas model (Early intensive behavioural treatment (EIBT), Applied behavioural analysis (ABA)). Other evaluate pragmatic interventions or interventions based on other theoretical models like specific parent interventions, responsive education and prelinguistic milieu teaching, joint attention, symbolic play, and picture exchange communication system. Behaviour analytic interventions referring to the Lovaas model remain the most empirically evaluated early interventions in autism. Preschool children with autism can achieve improvements in cognitive and functional domains when treated within behavioural interventions with a frequency of at least 20 hours per week. It is not clear which is the minimum duration of effective interventions, and which active components are necessary for the effectiveness. There was no high quality evidence for other comprehensive early interventions. The identified health economic study is not suitable to evaluate the cost-effectiveness or cost consequences of early interventions. No publications concerning legal, ethical or social aspects were identified. The financial situation of persons with autisms and their families will be improved through the implementation of the “Pflege-Weiterententwicklungsgesetz” (Pf-WG). Further questions concern the organisation of care and the legal representation of autistic patients. Ethical questions arise mainly in the context of the equal supply of care to each individual patient in all regions of the country and the situation of the caregivers. Discussion: There are only a few studies with high methodology evaluating early interventions in children with autism. Most studies have a short duration with a lack of blinded outcome assessment in many cases. The lack of high quality comparative studies does not allow answering questions of comparative effectiveness of early interventions in autism. It can be concluded that interventions referring to the Lovaas model seem to have the highest effectiveness. This seems to be especially true when they are run clinic-based. However, there was no solid evidence with regard to factors responsible for the effectiveness of programms according to the ABA model. With regard to communication improvement, a systematic parent training seems to be superior to treatment as usual where a mixture of therapeutic elements is used. As well for clinical and health economic studies there is a substantial problem of generalisability into the German context. The identified health economic study is not suitable to evaluate the cost-effectiveness or cost consequences of early interventions. Conclusion: Based on the available studies, there is no sufficient evidence for any of the evaluated behavioural early intervention programmes. Studies suggest that preschool children with autism in behavioural intervention programmes with a frequency of at least 20 hours per week can achieve improvements in cognitive and functional domains. There is no evidence that in a substantial portion of the children a normal development can be achieved by early interventions. Most research evidence is available for ABA. A minimal necessary intensity of interventions to achieve positive outcomes cannot be derived from literature. There are no valid statements possible as to cost-effectiveness or consequences of these interventions. Effective early interventions may reduce total autism costs in the long run. This may be achieved when the initial high treatment expenditures are more than compensated later if persons with this disorder have better social functioning. |
Identificador | |
Idioma(s) |
eng |
Publicador |
Köln : Gms, Deutsche Agentur Für Health Technology Assessment (DAHTA) |
Relação |
http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta248_bericht_de.pdf http://dx.doi.org/10.3205/hta000072 ESSN:1861-8863 |
Direitos |
CC-BY-NC-ND 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en frei zugänglich |
Fonte |
Gms health technology assessment 5 (2009) |
Palavras-Chave | #Autism spectrum disorders #Kanner syndrome #Asperger’s disorder #Autismus #Kanner-Syndrom #Asperger-Syndrom #ddc:360 |
Tipo |
status-type:publishedVersion doc-type:article doc-type:Text |