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em Universitätsbibliothek Kassel, Universität Kassel, Germany
Resumo:
Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Frage, ob bei psychogenen Störungen Geschwistererfahrungen klinische Relevanz haben und ob die erfahrene Geschwisterposition und –konstellation auch im Erwachsenenalter psychodynamisch wirksam ist. Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil werden in einem metatheoretischen Vorgehen psychoanalytische Konzepte, psychoanalytische Entwicklungstheorien aus der Objekt- und Selbstpsychologie und empirische Forschungsergebnisse zur Geschwisterbeziehung vorgestellt. Darauf aufbauend werden Annahmen formuliert, welche psychodynamischen Konflikte sich in einer pathologischen Entwicklung als psychische Störungen im Erwachsenenalter manifestieren können.Im zweiten Teil der Arbeit werden acht Einzelfälle psychoanalytischer Behandlungen von erwachsenen Patienten unterschiedlicher Geschwisterpositionen und -konstellationen dargestellt, die die in Teil 1 beschriebenen pathogenen Geschwistereinflüsse illustrieren. In den untersuchten Einzelfällen ist die erfahrene Geschwisterposition der Patienten konfliktbesetzt und psychodynamisch wirksam gewesen. Dabei haben die Erfahrungen mit den primären Objekten die Basis für die pathologische Beziehungsdynamik der Geschwister gebildet. Den dritten extra-klinisch empirischen Teil der Arbeit stellt eine explorative Pilotstudie dar, die ebenfalls das Ziel verfolgt, persistierende Geschwisterkonflikte in ihren langandauernden Effekten zu explorieren. Es handelt sich um eine Dokumentenanalyse von 215 Patientenakten aus einer psychosomatischen Klinik. Aus den Akten werden als Variablen ICD - und OPD - Diagnosen als auch inhaltsanalytisch ermittelte psychodynamische Konflikte herausgefiltert und mit den Variablen Geschwisterposition und –konstellation korreliert. Dabei wird erstens der Frage nachgegangen, ob es in den Akten von psychisch erkrankten Patienten zwischen Einzel- und Geschwisterkindern Unterschiede in Bezug auf die Diagnosen und hinsichtlich der formulierten psychodynamischen Konflikte gibt. Zweitens geht es um eine weitergehende Exploration dieser Variablen in Bezug auf die erfahrene Geschwisterposition bzw. –konstellation. Es zeigt sich, dass die ICD-10 Diagnostik aufgrund ihres deskriptiven Charakters und ihrer psychiatrischen Orientierung wenig brauchbar ist, diesbezügliche Hypothesen zu formulieren. Im Unterschied zur ICD-10 ergibt sich in Bezug auf die OPD-Diagnostik, besonders aber in Hinsicht auf die psychodynamischen Konflikte ein differenzierteres Bild. So sind z.B. Parentifizierung am häufigsten von Einzelkindern und Erstgeborenen benannt worden. Gleichzeitig berichten Patienten, die mit Geschwistern aufgewachsen sind, am stärksten von erlebtem emotionalem Mangel in der Familie. Unter Dominanzkonflikten leiden die Patienten am meisten, die als jüngstes Kind aufgewachsen sind. Bei Patienten mit der jüngsten und mittleren Geschwisterposition ist als weiteres Beispiel auffallend oft Altruismus ermittelt worden. Fazit der Arbeit ist, dass ungelöste Geschwisterkonflikte langandauernde Effekte haben können und dass - im Gegensatz zur Birth-Order-Forschung - die Variable der Geschwisterposition unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte als ein intra- und interpsychisches dynamisches Geschehen begriffen werden kann.
Resumo:
Entgegengesetzt zur sich ausweitenden Unwirtlichkeit der Dörfer ist unter den Publikumszeitschriften ein neues Land-Genre entstanden mit dem Trendsetter LandLust (mittlerweile 1 Mio. Auflage) und einer unübersehbaren Flut von Nachahmer-Zeitschriften im Gefolge. Die sich hier spiegelnde Idyllisierung des Ländlich-Dörflichen gab den Anstoß für die Dissertation. Den gängigen Klischees vom „alten Dorf“ mit Bauerngarten und Obstwiesenkranz, Dorflinde und Dorfteich sollte eine differenzierende Aufarbeitung der Geschichte dörflicher Freiräume und Freiraumkultur entgegengesetzt und der Nachweis einer räumlichen, zeitlichen und gesellschaftlichen Variabilität erbracht werden. Dabei wurde das Thema auf den Zeitraum 19. bis frühes 20. Jahrhundert und auf das südliche Sauerland als Untersuchungsregion eingegrenzt. Es kam ein Bündel von Methoden zum Einsatz, die zu sich ergänzenden Ergebnissen führten: Literaturarbeit, Akten-, Karten- und Bildauswertung, Interviews und Spurensuche vor Ort. Am Anfang der Untersuchung stand die Analyse der preußischen Urhandrisse aus den 1830er Jahren. Die identifizierten Freiräume wurden klassifiziert. Es konnte nachgewiesen werden, dass natürliche Voraussetzungen wie Boden, Relief und Klima, dazu Erbrechtstradition und Ortsgröße die jeweiligen Freiraummuster deutlich bestimmten und örtlich differenzierten. Entlang von drei wesentlichen Entwicklungssträngen wurde anschließend der Wandel dörflicher Freiräume und Freiraumkultur untersucht: Die Veränderungen in der Landwirtschaft, die Entwicklungen im Garten- und Obstbau sowie das Aufkommen der Freizeit am Ende des 19. Jahrhunderts. Bereits im frühen 19. Jahrhundert wirkten agrarreformerische Aktivitäten auf die dörflichen Freiräume, etwa durch die Förderung neuer Anbaufrüchte. Staatliche landeskulturelle Verfahren machten es in der Folgezeit möglich, dichte Siedlungsbereiche aufzulockern und die Ortsentwicklung zu lenken; durch Umlegungen konnten Flächen für den Gemeinschaftsbedarf, z.B. Bleichplätze, ausgewiesen oder gesichert werden. Die Entwicklungen im Garten- und Obstbau wurden zunächst vor allem über die Förderung der Schulgärten vorangetrieben. Daneben wirkten populäre Garten-Lehrbücher, im Sauerland nachweislich das der Autorin Henriette Davidis (1801–1876). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts professionalisierte sich der Gartenbau zunehmend: Im östlichen, bergigen Teil des Südsauerlandes entwickelte sich ein überregional bedeutsames Baumschulgebiet, das auch die Gehölzverwendung in der Region diversifizierte. Nach der Eröffnung der ersten Eisenbahnlinie 1861 bildete sich in den Bahnhofsdörfern ein ausreichender Kundenstamm für die Kunst- und Landschaftsgärtnerei: Hier verbürgerlichte die Gartenkultur. Der Industrialisierungsschub entlang der Bahnlinie löste eine Fülle weiterer Veränderungen aus. Dazu gehörte das Aufkommen der „freien Zeit“ bei der nicht landwirtschaftlich beschäftigten Bevölkerung. Dörfliche Freiräume im Südsauerland wandelten sich ab dem späten 19. Jahrhundert, weil die hier lebenden und arbeitenden Menschen ihren Bedürfnissen nach Erholung und Gemeinschaft auf neuartige Weisen nachgingen. Erholen, Spielen und Sporttreiben ließen völlig neue Freiraumtypen entstehen. Dabei fand eine Auffächerung statt, in der sich die diversifizierende ländliche Gesellschaft widerspiegelte. Auch neue Formen der Geselligkeit brachten neuartige Freiraumnutzungen mit sich: Umzüge und Feierlichkeiten unter freiem Himmel, die weder familiäre noch kirchliche Anlässe hatten – allen voran das Schützenfest. Seit dem späten 19. Jahrhundert motivierten positive Landschaftsbeschreibungen, die werbenden und strukturierenden Maßnahmen des Sauerländischen Gebirgsvereins (SGV) sowie die gute Erschließung durch die Eisenbahn die Menschen in den Ballungsräumen an Rhein und Ruhr, das Sauerland touristisch zu entdecken. Es entstanden Gartenwirtschaften und Aussichtstürme, Schwimmbäder und Kurparks. Sommerfrischler verbrachten mehrwöchige Urlaube auf dem Bauernhof. Viele landwirtschaftliche Betriebe gestalteten ihre Hofräume zu Vorgärten mit Blumenbeeten und Gartenlaube um, Obstwiesen wurden zu Liegewiesen für Luft- und Sonnenbäder. Die Untersuchung entlang der drei benannten Entwicklungsstränge mündet in eine Klassifizierung derjenigen dörflichen Freiräume, die zum Ende des Untersuchungs-zeitraumes, also um 1930, für das Südsauerland identifiziert werden konnten. Den aktuell verbreiteten Klischees vom „alten Dorf“ und seinen Freiräumen konnte so die entdeckte Differenziertheit gegenüber gestellt werden.