Mythos und Mathematik : Hermann Brochs Roman "Die Schuldlosen" und seine Essays


Autoria(s): Löhr, Corinna
Data(s)

2014

Resumo

„Natürlich habe ich mich [...] unausgesetzt mit Mathematik beschäftigt, umso mehr als ich sie für meine erkenntnistheoretisch-philosophischen Studien brauchte, denn ohne Mathematik lässt sich kaum mehr philosophieren.“, schreibt Hermann Broch 1948, ein Schriftsteller, der ca. zehn Jahre zuvor von sich selbst sogar behauptete, das Mathematische sei eine seiner stärksten Begabungen.rnDiesem Hinweis, die Bedeutung der Mathematik für das Brochsche Werk näher zu untersuchen, wurde bis jetzt in der Forschung kaum Folge geleistet. Besonders in Bezug auf sein Spätwerk Die Schuldlosen fehlen solche Betrachtungen ganz, sie scheinen jedoch unentbehrlich für die Entschlüsselung dieses Romans zu sein, der oft zu Unrecht als Nebenarbeit abgewertet wurde, weil ihm „mit gängigen literaturwissenschaftlichen Kategorien […] nicht beizukommen ist“ (Koopmann, 1994). rnDa dieser Aspekt insbesondere mit Blick auf Die Schuldlosen ein Forschungsdesiderat darstellt, war das Ziel der vorliegenden Arbeit, Brochs mathematische Studien genauer nachzuvollziehen und vor diesem Hintergrund eine Neuperspektivierung der Schuldlosen zu leisten. Damit wird eine Grundlage geschaffen, die einen adäquaten Zugang zur Struktur dieses Romans eröffnet.rnDie vorliegende Arbeit ist in zwei Teile gegliedert. Nach einer Untersuchung von Brochs theoretischen Betrachtungen anhand ausgewählter Essays folgt die Interpretation der Schuldlosen aus diesem mathematischen Blickwinkel. Es wird deutlich, dass Brochs Poetik eng mit seinen mathematischen Anschauungen verquickt ist, und somit nachgewiesen, dass sich die spezielle Bauform des Romans wie auch seine besondere Form des Erzählens tatsächlich aus dem mathematischen Denken des Autors ableiten lassen. Broch nutzt insbesondere die mathematische Annäherung an das Unendliche für seine Versuche einer literarischen Erfassung der komplexen Wirklichkeit seiner Zeit. Dabei spielen nicht nur Elemente der fraktalen Geometrie eine zentrale Rolle, sondern auch Brochs eigener Hinweis, es handele sich „um eine Art Novellenroman“ (KW 13/1, 243). Denn tatsächlich ergibt sich aus den poetologischen Forderungen Brochs und ihren Umsetzungen im Roman die Gattung des Novellenromans, wie gezeigt wird. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass Broch dem Mythos eine ähnliche Rolle in der Literatur zuspricht wie der Mathematik in den Wissenschaften allgemein.rnMit seinem Roman Die Schuldlosen hat Hermann Broch Neuland betreten, indem er versuchte, durch seine mathematische Poetik die komplexe Wirklichkeit seiner Epoche abzubilden. Denn „die Ganzheit der Welt ist nicht erfaßbar, indem man deren Atome einzelweise einfängt, sondern nur, indem man deren Grundzüge und deren wesentliche – ja, man möchte sagen, deren mathematische Struktur aufzeigt“ (Broch).

“Natürlich habe ich mich [. . .] unausgesetzt mit Mathematik beschäftigt, umso mehr als ich sie für meine erkenntnistheoretisch-philosophischen Studien brauchte, denn ohne Mathematik lässt sich kaum mehr philosophieren”, writes Hermann Broch in 1948, an author who - about 10 years prior to this statement - even said about himself that mathematics was his strongest talent.rnDespite this reference, the importance of mathematics for Broch’s works has hardly been researched. Particularly with regard to his late work Die Schuldlosen those considerations have completely been ignored; however, they seem to be indispensable for the interpretation of his novel which was often wrongly regarded as less relevant since it cannot be analyzed “mit gängigen literaturwissenschaftlichen Kategorien” (Koopmann, 1994)rnSince this aspect – especially with regard to Die Schuldlosen – still had to be researched, it was the aim of this work to understand Broch’s mathematical studies better in order to provide a new perspective on Die Schuldlosen. Thus a basis has been established that opens an adequate access to the novel’s structure.rnThis work is divided into two parts. In the first part Broch’s theoretical considerations based on selected essays are examined which is followed by an interpretation of Die Schuldlosen from this mathematical point of view. It becomes apparent that Broch’s poetics are closely related to his mathematical views and thus given proof that the novel’s special structure as well as the author’s particular mode of narration can actually be deduced from his mathematical way of thinking. rnAbove all Broch uses the mathematical convergence to infinity for his attempts at recording the complex reality of his time in a literary way. At the same time, not only the elements of fractal geometry are central, but also Broch’s own reference that it was “eine Art von Novellenroman” (KW 13/1, 243). In fact, Broch’s poetical demands and their realization in the novel result in the genre of the novella novel (“Novellenroman”) as demonstrated. In this context it is of particular importance that Borch attributes a similar role to myth in literature as to mathematics in science in general.rnBorch has entered new territory with his novel Die Schuldlosen by trying to depict the complex reality of his epoch through his mathematical poetics. For “die Ganzheit der Welt ist nicht erfaßbar, indem man deren Atome einzelweise einfängt, sondern nur, indem man deren Grundzüge und deren wesentliche – ja, man möchte sagen, deren mathematische Struktur aufzeigt” (Broch).

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Identificador

urn:nbn:de:hebis:77-38728

http://ubm.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2014/3872/

Idioma(s)

ger

Publicador

05: Philosophie und Philologie. 05: Philosophie und Philologie

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Palavras-Chave #Novellenroman, Mathematik, Mythos, Relativitätstheorie, fraktale Geometrie #mathematics, myth, theory of relativity, infinity, fractal geometry #Literature and rhetoric
Tipo

Thesis.Doctoral